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Entgrenzung


A. Einführung
Staatsgrenzen sind juristische Trenngrößen, welche das Staatsgebiet markieren, d.h. den Raum, in dem ein Staat seine absolute Verfügungsgewalt besitzt (Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht (1997)). Durch die Grenzen wird daher der Geltungsbereich innerstaatlicher Rechtsordnungen bestimmt (Witt2003, S. 44). Da jeder Staat exklusive Hoheitsrechte besitzt, erfordert die Aktivität über die Grenzen hinaus die Mitwirkung eines anderen Staates. Sie spiegelt sich in den zwischenstaatlichen Vereinbarungen wieder. Für den Abschluss von den Vereinbarungen sind in der Regel die Zentralorgane des jeweiligen Staates zuständig. Inwieweit hier subnationale Staatseinrichtungen zuständig sind, die Beziehungen über die Grenze hinaus aufzunehmen, hängt es von der inneren Kompetenzordnung ab. Man kann vom Prinzip ausgehen, dass je niedriger die Einrichtung in der Kompetenzleiter gelegen ist, desto schmaler sind auch ihre Befugnisse in Bezug auf die grenzüberschreitende Betätigung.

Somit sind im nationalen Recht Bestimmungen zu suchen, auf Grund derer die subnationalen Einrichtungen mit den öffentlichen Stellen eines anderen Staates in Kontakte treten dürfen. Diese Regelungen entscheiden auch darüber, wie intensiv dürfen die Kontakte sein dürfen, d.h. ob sie auch formelle Bindung begründen können.
Zum anderen ist aber darauf hinzuweisen, dass die subnationalen Einrichtungen auch demokratische Legitimation innehaben. Im Vergleich zu den nationalen (zentralen) Organen sind die Kommunen sogar stärker legitimiert (keine degressive Legitimation).

B. Begriff der Entgrenzung
1. Semantik
„Aufhebung und/oder Auflösung von Grenzen bzw. Durchlässigkeit von Grenzen"


2. Wirtschaftswissenschaften
Ökonomische Entgrenzung (Jachtenfuchs 1998: 242) - globale Entgrenzung des Marktgeschehens und nicht zuletzt der Finanzmärkte (dies alles unterstützt durch die moderne Informations- und Kommunikationstechnik)
Entgrenzung findet vor allem im Bereich von Wirtschaft und Finanzmärkten statt und folgt aus besonderer Bedeutung multinationaler Unternehmen als „global players“ (Mayntz 2000: 16)
Brock/Albert 1995: 263: "Allgemeine Entgrenzung der bislang sogenannten Nationalökonomien erfolgt durch Globalisierung von Wirtschaftsaktivitäten in Verbindung mit der Herausbildung neuer wirtschaftlicher Zentren auf lokaler und regionaler Ebene."

3. Sozialwissenschaften
Interkulturelle Veränderungen in der Grenzregion infolge Migrationsströmungen (vgl. auch Brock/Albert 1995).


4. Politikwissenschaften
Herausbildung neuer Formen von Staatlichkeit (Brock/Albert 1995: 259)
Grenzen müssten ihre trennende Funktion verlieren und sich aus den Transit-Zonen in Räume wirtschaftlicher Zusammenarbeit, politisch-institutioneller Innovation und transnationaler Kommunikation verwandeln (Brock/Albert 1995: 271)
schrittweise Auflösung von Deckungsgleichheit politischer (...) Räume (Debiel, 2002)
Prozesse: Europäisierung, Regionalisierung, Fragmentierung, Glocalisation
Hier auch Entgrenzung und Multi-Lever-Governance?

C. Entgrenzung in den Rechtswissenschaften
1. Begriff
Auflockerung der trennenden Funktion der Grenze und dadurch Durchlöcherung der Souveränität und des Monopols in Bezug auf die Ausübung der Staatsgewalt
Europäisches Recht als entscheidender Faktor der europäischen Integration (Grimmer2012)
Integration durch Recht und die Rolle des EVTZ – was ist mit seinen Regelungsbefugnissen

2. Formen und Möglichkeiten der juristischen Entgrenzung
Schaffung eines grenzenlosen Raumes durch Errichtung einer grenzunabhängigen Rechtsstruktur -
Lockerung der trennenden Funktion der Grenze, durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Form eines EVTZ als Instruments der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung durch Kommunen

3. Entgrenzung durch Kollisionsrecht
Kollisionsrecht als Instrument der Entgrenzung? Als reines Kollisionsrecht nicht ganz, aber z.B. als Experimetierrąume und de-minimis?
Oder Ermächtigung zur Anerkennung von fremden Entscheidungen
Folge --> Verschiebung von territorialen Grenzen nationaler Rechtsordnungen ("Orders in motion")
  1. Unionssekundärrecht
Grundlage in Art. 8 Abs. 2 lit. j) EVTZ-VO?
  1. Unionsprimärrecht
Grundlage in Art. 175 AEUV?
  1. nationales Verfassungsrecht?
keine Kompetenzübertragung auf die EU  aber Art. 24 Abs. 1a GG
4. Institutionelle Entgrenzung durch EVTZ?
EVTZ als Verbindungsstelle für die staatliche und nichtstaatliche Ebene sowie regionale und lokale Akteure (Brock/Albert 1995: 273). Nur dann, wenn es mit der Ausübung der Staatsmacht verbunden wäre. Nach Art. 7 Abs. 4 EVTZ-VO ist dies aktuell nicht möglich.
Solange auch an nationales Recht des Sitzstaates gebunden (Art. 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. c) EVTZ-VO)
Entwicklung von Multi-Level-Governance (Beck 2012: 13 f.)


D. Abschlussworte
Ergebnis wäre dann Entstehung von funktionalen Räumen anstelle von getrennten Grenzräumen.
Erforderlich wäre aber die außerhalb der Staaten liegende Zuständigkeit für die Grenzregionen.

Brock/Albert, Entgrenzung der Staatenwelt, S. 259 ff ZIB 2/1995

Boesler, K.-A., Deue Ansätze der politischen Geographie und Geopolitik, S. 309 ff. Erdkunde 51/1997

CategoryEVTZAllgemein
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