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Preisanpassungen in Energielieferverträgen aktuell

Stand 2016 - ein Überblick


A. Einleitung
Der letzte Paukenschlag in der Gestaltung von Energielieferverträgen und insbesondere der Regelungen über Preisanpassungen fand aus unserer Sicht im Jahre 2014, als die deutschen und europäischen Gerichte die gängige und bis dahin als rechtssicher betrachtete Praxis der Anlehnung der allgemeinen Geschäftsbedingungen an die Grundversorgungsverordnungen gekippt hatten. Es stellte sich plötzlich heraus, dass ein Verweis auf eine Verordnung der Bundesregierung gar nicht rechtmäßig ist. Letztlich war klar, dass die Verordnungen überarbeitet werden mussten, weil sie gegen europäisches Verbraucherrecht verstießen.

Seitdem ist etwas Zeit vergangenen und große Wendungen in der Rechtsprechung waren eher nicht zu erwarten. Dennoch kommt es immer wieder zum Streit darüber, ob und nach welchen Regeln Preisanpassungen in laufenden Energielieferverträgen möglich sind.

B. Systematischer Überblick
Aber nun etwas geordneter und der Reihe nach. Energielieferverträge mit Letztverbrauchern, also denjenigen, die Energie zum Eigenverbrauch benötigen (nicht etwa nur Verbraucher im Sinne des BGB - industrielle Kunden sind auch Letztverbraucher im Sinne des Energierechts), können als Sonderkundenverträge oder als Verträge in der Grundversorgung ausgestaltet sein. Eine ausführliche Darstellung dazu ist im Kurzlehrbuch zum Energierecht hier zu finden. Während die Grundversorgung eine über die Grundversorgungsverordnungen für Gas und Strom staatlich geregelte Belieferungsart für Haushaltskunden ist, sind Sonderkundenverträge frei verhandelbare Verträge, die im Grunde genommen allein den Regeln des Zivilrechts und damit der Vertragsfreiheit unterliegen.

Während die bei Vertragsabschluss vereinbarten Preise für bezogene Energie - unabhängig davon, welche Preismodelle gewählt werden (Grundpreise vs. Arbeitspreise) - meist unproblematisch sind und gemäß dem Prinzip pacta bunt servanda beide Vertragsparteien binden, sind meist eventuelle Preisänderungen problematisch.

1. Preisanpassung in der Grundversorgung
Bei Verträgen in der Grundversorgung sieht § 5 Abs. 3 StromGVV bzw. GasGVV implizit eine Änderungsmöglichkeit vor. Insofern steht außer Frage, dass Preisänderungen in Verträgen mit Haushaltskunden im Rahmen der Grundversorgung ohne Weiteres möglich sind. Zu beachten sind in formeller Hinsicht lediglich die - im Jahre 2014 infolge der oben genannten Rechtsprechung verschärften - Transparentvorschriften und Kündigungsmöglichkeiten für den Kunden, § 5 Abs. 3 StromGVV und GasGVV. In materieller Hinsicht ist § 315 BGB zu berücksichtigen. Eine Preisanpassung durch den Grundversorger ist ausschließlich im Rahmen des billigen Ermessens i. S. d. § 315 Abs. 1 und 3 BGB zulässig. Mit anderen Worten, der Energielieferant muss sicherstellen, dass die Preisanpassung im Hinblick auf ihre Umstände im angemessenen Umfang erfolgte.

2. Preisanpassung bei Sonderkundenverträgen
Für Verträge außerhalb der Grundversorgung - also bei Verträgen mit sog. Sonderkunden - existiert keine Rechtsgrundlage im Gesetz oder in Verordnungen, auf die sich der Energielieferant berufen könnte, um die Preise im laufenden Vertragsverhältnis anzupassen. Ist zwischen den Partien keine Anpassungsmöglichkeit vereinbart, ist sie insofern unzulässig.
Es ist allerdings anerkannt, dass eine solche Anpassungsmöglichkeit durch die Parteien vereinbart wird. Dies kann sowohl im Rahmen einer Individualvereinbarung wie auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgen. Dabei ist natürlich der letztgenannte Weg der häufigste und hat eine besondere Praxisrelevanz.

Wird eine Preisanpassungsklausel in den Vertrag aufgenommen, nach der dem Energielieferanten innerhalb eines gewissen Spielraums eine Preisanpassung möglich ist, stellen sich in der Praxis gleich zwei Rechtsfragen:
  • ist die gewählte Klausel in den AGB des Lieferanten mit den §§ 305 ff. BGB vereinbar?
  • sofern die Klausel zulässig war und eine Preisänderung erfolgt ist - entspricht diese Änderung dem bereits oben genannten § 315 BGB?


C. Aktuelle Gerichtsentscheidungen
Die in den letzten Jahren ergangene Flut von Urteilen zum Thema Preisanpassungen in Energielieferverträgen scheint unerschöpflich zu sein. Nach wie vor ergehen zu diesem Thema zahlreiche, häufig auch in höchster Instanz, Entscheidungen. Aus den aktuellen wurden die aus unserer Sicht interessantesten ausgewählt und kurz geschildert.

1. Benachteiligende Klauseln
Der BGH hat in seinem Urteil vom 9. 12. 2015 [1]
[1] BGH, Urt. vom 9. 12. 2015 – VIII ZR 349/14 – OLG Rostock, RdE 2016, 178 ff. bzw. IR 2016, 85 ff.
zwei Klauseln eines Energieliefervertrages (Sondervertrag) zu prüfen. Klägerin war eine Verbraucherorganisation, die von dem beklagten Energieversorgungsunternehmen Unterlassung der Klauselverwendung verlangte. Im wesentlichen streitig waren in der Revision vor dem BGB zwei Klauseln der AGB des Verwenders:

1. Dem Kunden steht im Fall einer Preisänderung das Recht zu, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist außerordentlich auf das Datum des Wirksamwerdens der Preisänderung zu kündigen.

2. Anpassungen des Vertrags, ausgenommen Preisanpassungen und vertragswesentliche Regelungen, werden dem Kunden mit einer Frist von mindestens 6 Wochen zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens schriftlich mitgeteilt. In diesem Fall ist der Kunde berechtigt, den Vertrag in Textform ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Inkrafttreten der Anpassung zu kündigen. Kündigt er den Vertrag nicht, so treten die Anpassungen ab dem in der Mitteilung genannten Zeitpunkt in Kraft. Die X-AG ist verpflichtet, den Kunden in der schriftlichen Mitteilung auf die Bedeutung seines Schweigens hinzuweisen.

a. Zu Klausel 1
In der erstgenannten Klausel sahen die Verbraucherschützer eine unzulässige Einschränkung der Rechte des Kunden aus § 41 Abs. 3 EnWG, weil diese Vorschrift ein zeitlich uneingeschränktes Kündigungsrecht vorsähe und die AGB-Klausel dieses bis zum Wirksamwerden der Preisänderung beschränkt.

Dies sahen die Richter anders. Die Regelung des § 41 Abs. 3 S. 2 EnWG behandelt demnach zwar die Kündigungsfrist nicht, dies heißt jedoch nicht, dass ein Kündigungsrecht ohne zeitliche Einschränkungen besteht. Bei einer Kündigung gem. § 41 Abs. 3 EnWG handelt es sich um eine Kündigung aus wichtigem Grund und eine solche muss stets innerhalb einer angemessenen Zeit erfolgen.

Da der Gesetzgeber ein "ewiges Kündigungsrecht" nicht wollte, ist eine zeitliche Begrenzung des Kündigungsrechts auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Preisanpassung zulässig.


b. Zu Klausel 2
Im Hinblick auf die Klausel 2 kommt der BGH zu einem anderen Ergebnis. Er stellt fest, dass hier zwei Vorschriften des AGB-Rechts maßgeblich sind und ein Verstoß gegen diese letztlich zu konstatieren ist.

Zum einen ist die Klausel an § 308 Nr. 5 BGB zu messen, nach dem unter Umständen eine Klausel dann unwirksam ist, wenn der Verwender eine Erklärungsfiktion begründet. Die in der Klausel 2 begründete Fiktion der Akzeptanz der Vertragsänderung ist nur dann gem. § 308 Nr. 5 BGB zulässig, wenn die andere Partei - neben der Voraussetzung eines Hinweises hierauf - auch die Möglichkeit erhält, eine anders lautende Erklärung abzugeben, als die fingierte. Dies setzt voraus, dass dem Kunden das Recht zusteht, jede andere denkbare Erklärung abzugeben. Dies ist hier nicht der Fall: der Kunde kann entweder schweigen und dadurch die Änderung akzeptieren oder kündigen und das Vertragsverhältnis beenden. Einfacher Widerspruch der Änderung gegenüber ist nicht möglich. Deshalb verstößt die Klausel gegen § 308 Nr. 5 BGB und ist schon aus diesem Grund unwirksam [2]
[2] Vgl. im Detail BGH, Urt. vom 9. 12. 2015 – VIII ZR 349/14 Rn. 20-27.
.

Zum anderen prüfte das Gericht die Frage, ob die Klausel 2 den Transparenzanforderungen des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB genügt. Diese Vorschrift setzt voraus, dass eine Vertragsklausel klar und verständlich formuliert ist. Andernfalls ist sie unzulässig und deshalb unwirksam. Diese Klarheit und Verständlichkeit ist nur dann gegeben, wenn der Vertragspartner aus der Klausel seine Rechte und Pflichten herauslesen und jedenfalls alle Nachteile und Belastungen aus der Klausel den Umständen entsprechend klar erkennen kann.
Dabei ist zu bedenken, dass gem. § 305c Abs. 2 BGB eventuelle Zweifel (unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten) zu Lasten des Verwenders gehen, so dass die Klausel stets schon dann als unzulässig weil intransparent zu sehen ist, wenn nur eine von mehreren Lesarten unklar ist.
Nach Auffassung des Gerichts geht aus der Klausel 2 insbesondere nicht eindeutig hervor, was unter einer vertragswesentlichen Regelung zu verstehen ist, die einer Änderung nach der Klausel unterliegen könnte [3]
[3] BGH, Urt. vom 9. 12. 2015 – VIII ZR 349/14 Rn. 32-34.
. Dies genügt, um die Klausel auch gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB für unzulässig zu erklären.

c. Schlussfolgerungen
Diese Entscheidung zeigt erneut, wie schwierig es ist, einwandfreie allgemeine Geschäftsbedingungen bzw. im Allgemeinen Vertragsformulare zu verfassen, die einer gerichtlichen Überprüfung genügen. Energielieferanten sind diesbezüglich auf einwandfreie juristische Expertise angewiesen. Konkret ist dem Verwender zu raten, Erklärungsfiktion beim Schweigen des Vertragspartners vorsichtig in die Bedingungen aufzunehmen. Auch die Verwendung von Begriffen, wie "wesentliche Vertragsbedingungen" ist nicht ratsam und eine konkretere, klarere Formulierung zu empfehlen.

Eine Klarstellung, dass eine fristlose Kündigung gem. § 41 Abs. 3 EnWG nur innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, ist hingegen zulässig.

Ergänzend ist allerdings anzumerken, dass ein gewerblicher Kunde, der auf eine Formulierung stößt, wie sie in der oben aufgeführten Klausel 2 enthalten ist, sich nicht auf § 308 BGB berufen kann (§ 310 Abs. 1 BGB). Da der BGH aber auch die Unzulässigkeit wegen § 307 BGB festgestellt hat, kann sich auch ein Unternehmer gegen derartige Klausel erfolgreich wehren.


2. Preisanpassung in der Grundversorgung gegenüber gewerblichen Kunden (Altfall nach der AVBGasV)
In einem besonderen Fall hatte der BGH das Verhältnis zwischen altem und gegenwärtig geltendem Recht zu prüfen (AVBGasV vs. GasGVV und EnWG 2005) und dabei insbesondere die Frage der Möglichkeit einer Preisanpassung für Gaslieferungen gegenüber einem gewerblichen Kunden [4]
[4] BGH Urt. vom 24. 2. 2016, VIII ZR 216/12; Vorinstanz: LG Gießen.
.
In diesem Fall hat der BGH einerseits den Verbraucherschutz der Gasbinnenmarktrichtlinie aus dem Jahr 2003 einem gewerblichen Kunden versagt. Andererseits bekräftigte der BGH die ständige Rechtsprechung, dergemäß eine Preisanpassung stets der Billigkeit i. S. d. § 315 BGB entsprechen muss, unabhängig von der Möglichkeit des Lieferantenwechsels.
Ferner stellte der BGH aber auch fest, dass der Vergleich mit Gaspreisen anderer Lieferanten nicht das entscheidende Kriterium der Billigkeitskontrolle sein kann. Die Billigkeitskontrolle einer Preisanpassung, insbesondere Preiserhöhung muss immer auf den konkreten Gaslieferungsvertrag abstellen, im Übrigen auf den Vertragszweck und die Interessenlage beider Parteien.

Schlussfolgerungen
Das Urteil fügt sich in die Linie der Rechtsprechung zur Billigkeitskontrolle. Der Kunde kann sich demnach darauf verlassen, dass die Preisanpassung der Billigkeit entspricht. Bestehen hieran Zweifel, kann der Kunde (auch der gewerbliche) der Preisanpassung widersprechen. Der Lieferant kann sich nicht darauf berufen, dass der Kunde den Lieferanten wechseln kann - eine Preisanpassung muss dennoch der Billigkeit entsprechen.
Andererseits kann die Billigkeitskontrolle nicht die Marktmechanismen ersetzen. Ist der Lieferant für mich allgemein zu teuer, muss ich ihn schlicht wechseln.




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